3 Gründe, warum Zeitreisen (fast) immer tödlich sind

Bei den Arbeiten zum Buch “Das Register” wurde mir klar, dass Zeitreisen - sollten sie irgendwann möglich sein - zwangsläufig tödliche Konsequenzen haben. Richtig gelesen. Änderungen der Vergangenheit führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines Menschen. Und mit etwas Pech ist man selbst betroffen.

Gedankenspiele rund um die Möglichkeiten und Konsequenzen von Zeitreisen faszinieren uns Menschen seit vielen Jahrzehnten –  teilweise sogar schon seit Jahrtausenden. Klassiker dieser Gedankenspiele sind Paradoxien, wie sie unter anderem in “Zurück in die Zukunft” präsentiert werden sowie die sogenannten Schmetterlingseffekte. Die Handlung in “Das Register” konzentriert sich hauptsächlich auf weniger bekannte Konsequenzen des Zeitreisens. Das liegt auch daran, dass in dem Roman keine Personen, sonder “nur” Nachrichten in die Vergangenheit geschickt werden. Je konkreter der Plot des Buches wurde, desto spannender war es, über eine Welt nachzudenken, in der wir unser vergangene Ich instruieren und warnen können. Dabei fiel mir auf, dass die vielen Effekte des Zeitreisens fast immer den Tod eines Menschen zur Folge haben.

Hier kommen drei mögliche Szenarien, über ich wir gestolpert bin. Viel Spaß in der Welt von “Was wäre wenn …?”!

Tod durch fehlende Geburt

Beinahe keine Zeitreisegeschichte kommt ohne den oben erwähnten Schmetterlingseffekt aus. Die Grundidee dahinter ist, dass selbst kleinste Änderungen an der Vergangenheit große und unbeabsichtigte Auswirkungen auf die Gegenwart haben können.

Eine der Hauptpersonen im Roman “Das Register” zeichnet beispielsweise folgendes Szenario:

“Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar schickt sich eine Nachricht in die Vergangenheit. Die hält ihn davon ab, umzuziehen. Dadurch lernen Sie die neue Mieterin von nebenan nie kennen, werden nie mit ihr zusammen ziehen. Und sie wird nie schwanger werden.”

“Jetzt fahren Sie aber schwere Geschütze auf.”

“Haben Sie mitbekommen, was hier gerade passiert ist? Ihr Kind wurde aus der Menschheitsgeschichte entfernt. Wegen ihres sturen Nachbarn.”

Die Frage, wie real der Schmetterlingseffekt ist und ob unsere eigene Geburt wirklich durch tausende von Kleinigkeiten entstanden ist, können wir nicht beantworten. Fest steht, dass jede Manipulation der Vergangenheit ungeahnte Auswirkungen haben kann. Bezüglich des Dilemmas einer verhinderten Geburt geht der berührende Film “Alles eine Frage der Zeit” sogar noch einen Schritt weiter. Tim, der Protagonist, hat die übernatürliche Fähigkeit, an einen beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit zu reisen und nutzt diese Fähigkeit ausgiebig. Bis er nach einem seiner Zeittrips entsetzt feststellen muss, dass sich in seiner Familie etwas gravierendes geändert hat: Er hat eine andere Tochter als vor seiner Zeitreise. Sein Vater, der ihm die übernatürlichen Fähigkeiten vererbt hat, erklärt - ein wenig zu spät - den Grund. Die Befruchtung einer Eizelle sei von so vielen Faktoren abhängig, dass jede kleinste Veränderung der Geschichte dazu führen kann, dass ein anderes Spermium gewinnt.

Es ist ein interessanter Kniff, den uns dieser Film bietet, vor allen Dingen, weil er ansonsten Paradoxien und ähnliche Schwierigkeiten zugunsten der Romantik außer Acht lässt.

Tod durch gestohlene Identität

Auf diese Überlegung bin ich zugegebenermaßen nicht von selbst gekommen und leider kenne ich auch denjenigen, der sie für “Das Register” ins Spiel gebracht hat, nicht persönlich.

Zur Vorgeschichte: Bevor ich den ersten Satz für eine neues Buch schreibe, prüfe ich, ob die Grundidee der Geschichte verstanden wird und ob sie das Potential hat, in Lesern “zu arbeiten”. Für “Das Register” habe ich unter anderem folgendes in verschiedenen Foren gefragt:

“Stell dir folgendes Szenario vor: Eines Tages wird es dir möglich sein, eine Nachricht an dein vergangenes Ich zu senden. In dem Moment, in dem du du die Nachricht abgeschickt hast, wird deine Geschichte augenblicklich geändert. […] Alles, was du noch weißt, ist, dass du vor einem Jahr eine Nachricht von deinem zukünftigen Ich bekommen hat. Diese Nachricht hat dich aufgefordert, etwas bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. […] Sind die Vorteile das Risiko wert?”

Die Antworten darauf haben bestätigt, dass die Idee nicht zu abstrakt oder kompliziert ist und dass sie Menschen zum Nachdenken bringt. Besonders interessanter war jedoch folgender Einwurf eines Forumnutzers:

Ich denke, es hängt davon ob, wie man Identität sieht. Die Nachricht abzuschicken, wird vermutlich das letzte Jahr des Absenders ändern. Wenn man das “Ich”, das aus diesem Jahr herauskommt, als eine andere Person sieht, hat man im Grunde Suizid begangen. Wenn man es als die selbe Person sieht, hat man sein Leben in irgendeiner Art und Weise verbessert."

Tatsächlich spricht einiges für die Suizid-These. Und selbst wenn nicht - natürlich kann mit einer Reise in die Vergangenheit die eigene Biographie so gewaltig verändert werden, dass man man im Grunde sein altes Leben so eben begraben hat.

Tod auf eigenen Wunsch

Die letzte Möglichkeit ergibt sich nicht aus Reisen in die Vergangenheit, sondern aus dem Wissen um die Zukunft. In Welt, in der beispielsweise “Das Register” spielt, kennt jeder den genauen Zeitpunkt und die Ursache seines Todes. Selbstverständlich nimmt niemand dieses Datum klaglos hin, sondern versucht mit aller Macht gegenzusteuern. Beim Schreiben des Buches habe ich mich gefragt: Was würde ich tun, hätte ich diese unglaubliche Möglichkeit? Im einfachsten Fall müsste ich bloß sicherstellen, dass ich an Tag X nicht an Ort Y bin. Im schwierigeren Fall müsste ich Jahre zuvor einer Krankheit vorbeugen, die mich ansonsten eines Tages besiegen würde. Doch egal, wie viele Jahrzehnte ich meine Lebenserwartung auch nach oben schrauben könnte - irgendwann würde die Retusche des eigenen Lebens nicht mehr viel bringen. In hohem Alter kann eine kleine Erkältung die letzte Krankheit bedeuten und es wird zu einem Katz-und-Mausspiel, ihr oder anderen alltäglichen Erregern zu entgehen.

In der Zukunft des “Registers” gibt es deswegen im Leben eines jeden Menschen den Punkt, an dem er nicht mehr versucht, die Stunde Null um kurze Zeit hinauszuzögern. Er verabschiedet sich von seinen Freunden und Verwandten und es gibt eine kleine Abschiedsfeier - sozusagen eine vorgezogene Beerdigungsfeier. All das findet statt, solange der Scheidende noch bei vollem Bewusstsein ist. Anschließend begibt er sich in die Obhut eines Hospiz, wo er langsam in einen ruhigen Schlaf versetzt wird und die kurze Zeit bis zum Tod über nicht mehr aufwacht. Niemand möchte die Zeiger der Uhr herunterzählen und dabei die eigene, buchstäbliche Deadline erwarten.

Man mag diese Vorstellung makaber oder grausam finden, doch es ist die plausibelste. Und wieder endet sie mit dem Tod eines Zeitreisenden. Technisch gesehen kann man nicht von Selbstmord reden. Mittelbar ist die ständige Manipulation der Vergangenheit aber schuld daran, dass man bewusst vorzeitig aus diesem Leben scheidet. Weil man es so besser ertragen kann.

Fazit

Es werden interessante Gedankenspiele möglich, wenn man sich eine Welt vorstellt, in der das Wissen um die Zukunft unseren Alltag beherrscht. Die Konsequenzen daraus haben mich beim Entstehen des Buches “Das Register” immer wieder überrascht.